Dienstag, 18. Dezember 2007
Webalben Baltikumfotos gesammelt und eingeklebt
Wenigstens konnte ich nun schon einmal Ordnung in die Fotoalben bringen, die Baltikumfotos sind nun übersichtlich geordnet hier zu finden: http://picasaweb.google.com/antaralain
Freitag, 14. Dezember 2007
Sonntag, 9. Dezember 2007
Von Riga nach Sigulda, durchs wilde Lettland
Kaum wieder zu Hause, wurde mir als erstes mein geliebtes Cannondale BadBoy-Mountainbike gestohlen. Obwohl im Reiseführer immer wieder Gruselgeschichten von geklauten Autos zu lesen waren, haben wir uns in keinem der Länder unsicher oder bedroht gefühlt, selbst, wenn wir nachts manchmal zu müde waren, um alle Sachen mit ins Hotel zu tragen, fürchtete ich nicht um meine Videokamera oder die anderen Dinge. Auf den Straßen und selbst auf den Märkten gab es eigentlich auch keinen Grund zur Sorge, wir achteten auf unsere Geldbörsen und die Kameras nicht mehr oder weniger als wir das zu Hause auch getan hätten.
Nun denn, hier kommen nun die fehlenden Berichte der Reise: Von Riga ging es für uns durch Schneestürme weiter gen Sigulda, damit wir ein bisschen mehr von Lettland kennerlernten als nur die Hauptstadt.
Der kleine Ort stellt sich auf seiner Webseite stolz vor: „Sigulda ist eine der schönsten Städte in Lettland. Auf der Welt gibt es wahrscheinlich nicht viele Orte, wo die Natur so prachtvoll mit der Stadt verbunden und ein unentbehrlicher Teil davon ist. In unserer Stadt gibt es keine große Industrie, sondern Abhänge, wo man im Winter Ski fahren kann, und besondere Wege, auf denen man im Sommer Rad fahren kann. Unser Motto – „Sigulda atmet frei!” – ist ein Zeichen unserer geistigen und körperlichen Aktivität.“
Wir langten wie so oft schon erst bei völliger Dunkelheit in Sigulda an, dabei war es gar nicht so weit, aber weil es gegen sechzehn Uhr bereits gefühlte Mitternacht war, blieb uns nichts andres übrig, als eine der im Lonely Planet empfohlenen Pensionen aufzusuchen. Die übliche Fragerei nach der Hundeerlaubnis und dann das Gepäck nach oben schleifen, da der Hund mittlerweile jedes neue Zimmer aufgeregt als Erster erkunden wollte und mich an mancher Rezeption peinlich genug hinter sich herriss:=)
In Sigulda erwartete uns eine sehr hübsche, mit Lichterketten geschmückte, etwas abseits vom Ort gelegene Villa namens „Alberta“. Jedes der vielen freien Zimmer im zweigeschossigen Guesthouse war nach dem Stil eines anderen Ortes der Welt eingerichtet, wir bekamen den Raum „Jameica Lounge“. Ein sehr gemütliches, hoch zu erklimmendes Bett wurde gesäumt von hübschen Wanddekorationen aus der Karibik, die Wände im Designerbad tapeziert mit einer dunkelbraunen Weltkarten- und Kompass-Tapete im Entdeckerstil. Grad, als hätte Alexander von Humboldt hier seine Notizen im Badezimmer hinterlassen.
An dieser Stelle sei auch endlich einmal erwähnt, dass wir immer wieder angenehm überrascht waren, wie gut beheizt alle Unterkünfte und Restaurants, die Hotelzimmer überall waren. Bis ans Ende der Reise hatten wir nur zweimal keine ganz heißen Duschen, aber es gab, was die Sauberkeit der Bäder und den Komfort der Heizmöglichkeiten soie des warmen Wassers anging, kein einziges Mal Grund zur Klage.
Nachdem wir uns in unserem neuen Unterschlupf so wohl fühlten, dass wir gleich noch eine weitere Nacht buchten, wir uns aufgewärmt hatten, ging es hinaus, wenigstens noch den Stadtkern zu erkunden. Die Burgen und Schlösser, Höhlen und Wälder würden wir uns für den morgigen Tag und bessere Beleuchtung aufheben.
Zum Ort selbst gibt es ja weiter unten schon einen kurzen Bloggeintrag, bleibt also nur die Höhlensuche offen, die wir am nächsten Tag selbst verschuldet kompliziert gestalteten, dafür aber am einsamen Fluss zahlreiche Biberspuren entdeckten.
Tina hatte mir aus dem Reiseführer die Wegbeschreibung zu einer der vielen Höhlen vorgelesen, allerdings nur auszugsweise. Demnach hörte sich das an, als müssten wir nur dem Flusslauf folgen. Erst nach zwei Stunden Umherirrens durch eine wunderschöne Winterlandschaft fand ich eine Straßenunterführung und das Hinweisschild, die Höhle sei auf der anderen Seite, nur fünf Minuten entfernt vom Parkplatz, den wir enttäuscht wieder angesteuert hatten. Und siehe da, die Höhle lohnt den Besuch auf jeden Fall, denn hier hatten unzählige Liebespaare und andere Wunschbeseelte ihre Botschaften im Fels hinterlassen, darunter viele wirklich kunstreiche und kreative Malereien, die sicher in einigen hundert Jahren Wissenschaftlerherzen höher schlagen lassen.
Sigulda ist ja angeblich auch eine Hochburg für den Wintersport, wir haben allerdings nur einen verwaisten Skilift gesehen, aber das mag daran gelegen haben, dass wir Tauwetter hatten und sich die Schneereste nicht zum Hinabwedeln eigneten.
Noch ein abschließendes Wort zu Sigulda, das, wie könnte es anders sein, sich auf die Hunde bezieht. Sigulda war der erste und einzigste Ort unserer gesamten reise, in dem es richtig viele Hunde gab. Allerdings kaum Hunde, die an der Leine ausgeführt oder gar mit ins Restaurant genommen wurden, sondern fast jeder zweite Hof wurde von einem mehr oder weniger großen Kettenhund bewacht und dementsprechend groß war die nächtliche Unruhe, denn die Einwohner Siguldas schienen durchgängig auf ihren Straßen unterwegs zu sein und wir hatten alle Mühe, unseren Hund halbwegs ruhig zu halten, damit er nicht in diese Chorgesänge einstimmte. Davon abgesehen hat Sigulda uns auf jeden Fall sehr gefallen und die Villa Alberta ist unbedingt empfehlenswert, wir werden sie sicher auch bei www.baltikum-travel.com aufnehmen.
Samstag, 8. Dezember 2007
zurück im heimatlichen Warmwinter
Wir sind heil gelandet, Tina in Hamburg, der Hund und ich in Berlin, dennoch wird es hier in Kürze die fehlenden Berichte der Reise geben...bis dahin noch fehlende Fotos: Hund, Sand und Meer...stay tuned...
Donnerstag, 6. Dezember 2007
Nachtrag: schwankender Boden, Hundematrosen
Mittlerweile haben wir die Nacht auf der MS Superfast relativ unbeschadet überstanden, die Kaffeebar hat endlich gegen zehn ihre Pforten eröffnet, so dass ich nun hier in der menschenleeren Lounge bei - immer mal wieder abstürzendem - aber immerhin vorhandenem WirelessLAN sitze und versuche, den Blogg aufzuarbeiten. Mit Meerblick im Panorama, klimpernde Casinoautomaten mittig und umringt von roten Polstermöbeln, sitze ich hier eigentlich äußerst komfortabel.
Zunächst die Bilder von gestern, hier: http://picasaweb.google.com/antaralain/HelsinkiAndFerry
Dass wir die Nacht "relativ unbeschadet überstanden haben", schreibe ich, weil dieser Hundezwingerraum mit integriertem Hundeklo gestern nacht im Sturm, ich will nicht sagen, orkanartig, aber heftig genug, dass weder der Hund noch ich mehr als 20 Meter an der Reling entlanghangeln konnten und schon gar keine vermutete Sandkiste im Dunkeln bei peitschenartigen Regenböen ins Gesicht und gegen den Körper hätten finden können. Heute morgen dann ein vierter Versuch, das Hundeklo zu finden. Der Steward zeigte mir - ebenfalls beeindruckt von der Entfernung, die man gegen den Sturm zurückzulegen hat, den Raum mit den Hundeboxen, in der wir Sky auf keinen Fall hätten allein lassen können mit diesem schwankenden Boden und niemandem in der Nähe, der ihn beruhigen hätte können.
Ich konnte den Hund heute morgen tatsächlich noch einmal überreden, mit mir dort hoch zu laufen, uns dem Wind entgegenzustemmen, aber dann saß er in der Kiste, 1,50 mal 1 Meter - aufgefüllt mit Katzenstreu - er schaute mich an, als wolle er sagen, und was machen wir hier?
Keine Chance, dass er hier irgendetwas würde verrichten können, geschweige denn, dass mir klar war, wie ich ihn wieder heil hinunterbringen würde. Nachdem mir der Sturm die schwere Eisentür gegen den Unteramr geknallt hatte, der Hund wie vom Teufel verfolgt gen Treppe stürmte, schläft er nun erst einmal wieder oder er passt auf Tina auf.
ein paar Abenteuer vor Helsinki
Reisebericht Tallin – Helsinki
An dieser Stelle ein chronologisch erneut nicht richtiger Einschub, aber:
Ein unvergesslicher Tag, weil ich ein solches unglaubliches Abenteuer schon lang nicht mehr erlebt habe. Während ich diesen vergangen Tag Revue passieren lasse, schlafen Tina und Sky selig und erschöpft in dieser winzigen, fensterlosen Kabine und wir schippern gen Rostock. Es klopft von außen rhythmisch gegen die Scheiben, seit Stunden anhaltender Regen, von dem wir auf dem 7. Floor der MS Superfast Helsinki – Rostock eigentlich nicht soviel mitbekommen, es sei denn, ich müsste Sky auf dem 10. Außendeck Gassi in die Sandkiste führen. Was mir ein Rätsel ist, wie das gehen soll, zumal wir vorhin zwar das Deck gefunden hatten, nicht aber die berühmte Sandkiste. Hoffen wir mal, dass der Hund bis morgen früh zum Vorankergehen in Deutschland durchhält.
Aber das sind angesichts des vergangenen Tages alles eher winzige Problemchen.
Es begann damit, dass wir gegen halb sechs von Tinas Handywecker wie besprochen geweckt wurden, weil wir gegen viertel vor sieben am Hotel gen Hafen aufbrechen wollten, um rechtzeitig die Fähre nach Helsinki zu erwischen. Gesagt, getan: den Hund rund um Tallinns Stadtmauerwiesen geführt, noch einen ersten Kaffee im Meritan Old Town Hotel vom erstaunlicherweise schon geöffneten Frühstücksbuffet genommen und dann die Sachen halbwegs sinnvoll im tapfer auf zwei Zylindern voransprotternden Lupo verstaut.
Natürlich ging alles ein wenig hektisch zu, weil wir uns nicht ganz einig waren, wer was eingepackt hatte, aber das war dann schnell geklärt und es war auch keine schwere Entscheidung, dass ich zum nahegelegenen Hafen fahren würde, weil Tina im Dunkeln nur schlecht sieht. Alle saßen wir gespannt und aufgeregt im Auto, Zündschlüssel gedreht und ...nichts! Ungläubige, sinnlose weitere Versuche: tot. Kein Sterbensmucks, dann die Erkenntnis, es muss die Batterie sein, weil die Innenbeleuchtung offenbar anschaltet geblieben war. Unter anderen Umständen wäre so etwas kein Drama, nur Tallinns mittelalterliche Altstadt war um diese Uhrzeit wie leergefegt, in den engen Gassen rührte sich nichts und niemand. Die Hotelrezeption ebenso verlassen, der nette, aber etwas begriffsstutzige Schwule irgendwo in seinem Nachtwächterkabuff verschollen und die Frau vom Frühstückbuffet schien sehr hilfsbereit, aber eben auch etwas hilflos in dem Anweisungswust der Rezeption, die ja auch gar nicht ihrem Aufgabenbereich angehörte. Beherzt kramte sie in ihren privaten Telefonnummern, ob ihr jemand einfiele, der uns mit seinem Auto Starthilfe würde geben können, leider ohne Erfolg. Also zurück auf die Straße, in etwa 200 Meter Entfernung sehe ich jemanden aus dem Haus kommen, auf sein Auto zugehen, einsteigen und...bevor ich den Wagen erreiche,...ist er auch schon weg, ohne mein Fuchteln auch nur wahrgenommen zu haben. Und wieder gähnende Leere auf der Gasse, während die Uhr rennt und ich schon unser Fährticket verfallen und uns einen weiteren Tag in Tallinn sehe, was umso schlimmer durch den Umstand gemacht wurde, dass wir für abends bereits die weitergehende Fähre nach Rostock gebucht hatten, die somit ebenfalls ohne uns starten würde.
Tina stand völlig ratlos vor dem Hotel und starrte auf ihr Auto, als würde sie damit wiederbeleben können. Zu allem Überfluss konnte sie die Fährtickets plötzlich nicht mehr finden. Panik pur! Wie verrückt rannte sie um das Auto, versuchte mich verantwortlich zu machen, wie das Leute immer tun, wenn sie das Gefühl haben, es bricht alles über ihnen zusammen. Göttliche Komödie.
In dem Moment kam mir irgendwoher eine Art Eingebung, ich rannte zur Rezeption, der strähnchenblondierte, schlaksige Junge immer noch nicht zurück, aber die nette Frühstückskellnerin. Nach einiger Erklärungsnot, weil sie nicht wusste, was ein Starterkabel ist, ruft sie dann doch, wie ich ihr sage, ein Taxi, das dann auch – für uns schwerwiegende – zehn Minuten später erscheint. Ein Mercedes-Minivan, aber da Tina inzwischen sogar ihr eigenes Starterkabel gefunden hatte, glaubten wir die Hilfe in Reichweite.
Mit einem kurzen radegebrechten Abtausch sahen wir ein, wir waren weit entfernt davon, unsere Batterie wieder auf Trab bringen zu können. Der Mann war nett, sprach kaum Englisch und erklärte uns – für meinen Geschmack etwas ausführlich, sein Computer würde kaputtgehen, wenn er ein Starterkabel anschlösse. Das wiederum war für uns zwar keineswegs einleuchtend, aber auch egal. Niedergeschmettert standen wir da in der Morgenkälte und guter Rat war nicht teuer, sondern schlicht und ergreifend gar nicht zu haben.
Inzwischen waren auf wundersame Weise die Tickets wieder aufgetaucht, Tina hatte sie in ihrer Verwirrung in die hinten verstauten Taschen gepackt.
Dann eine weitere gute Idee, ob er ein Abschleppseil habe? Ja, er könnte uns doch damit zum Fährhafen bringen, erst einmal auf dem Schiff, würde ich schon jemanden auftreiben, der uns auch hinunterschleppte und wir könnten in Helsinki bis zum Abend sicher jemanden finden, der uns weiterhelfen würde. Tinas Lebensgeister schienen zurückgekehrt und sie schlug vor, während des Abschleppens könne man es ja durchaus auch mal mit einem Startversuch wagen. Der Hund hatte gegen seine sonstigen Gewohnheiten kaum gebellt, auch er begriff wohl, dass es um etwas wichtiges ging.
Kleiner Wermutstropfen, unser Auto stand mit dem Rücken zum Taxi und die Gasse vor dem Hotel war deutlich zu eng, als dass der Taxifahrer würde uns ganz einfach mit der Schnauze an sein Rückteil koppeln können. Darin wiederum sah der Taximann kein Hindernis, er verband einfach kurzerhand Tinas Autohinterteil mit seinem und sie sollte sich rückwärts ziehen lassen. Zunächst stand ich gebannt neben dem Geschehen und schon nach dem zweiten Rucken sah ich mit einem ordentlichen Schrecken, wohin das Ganze führen würde, denn Tina steuerte mit jedem Ruck quer über das Pflaster schlitternd auf einen Pfeiler der Burgmauer zu und ihr Lupo stand nur noch einen halben Meter völlig quer um Taxi und eben jenem Steinpfeiler. Ich versuchte, ihr durch Handzeichen anzuzeigen, wohin sie lenken sollte. Zu allem Überfluss übernah ihre Panik die Oberhand, sie hatte immerhin noch die Geistesgegenwart, ihr Fenster ganz hinabzukurbeln und mich anzuschreien: „Hilf mir, hilf mir doch, tu doch irgendwas!“ Mir blieb nichts anderes übrig, als schulterzuckend in etwa fünf Meter Entfernung zu stehen, denn mittlerweile waren beide Wagen erheblich umhergerutscht, ohne, dass sich die Lage erheblich verbessert hatte, nur, was hätte ich mit bloßen Händen tun sollen? Den Wagen mit Zauberhand stoppen, ihn von außen in Fahrtrichtung drehen, keine Ahnung, was Tina wollte und das wusste sie wahrscheinlich selbst nicht. Mal abgesehen davon, dass sie einfach ihrer Verzweiflung Ausdruck verleihen wollte.
Das Ende vom Lied war, dass ich den Taxifahrer überzeugen konnte, er müsse uns versuchen, mit der vorderen Aufhängung an sein Rückteil ankoppeln, anders würden wir es niemals in einer Viertelstunde zur Fähre schaffen. Er sah ein, dass es doch entgegen seiner Annahme auch vorn an Tina Wagen eine Abschleppvorrichtung gab, sie kriegten beide die Kurve und ich sprang erleichtert auf den Beifahrersitz.
Glücklicherweise bietet das Leben selbst in solchen Situationen immer ein paar kurze Atempausen, wir kamen relativ schnell und offenbar gerade noch vor Check-in-Schluss am Terminal an. Am Schalter dann dachte ich, ich würde schlauerweise gleich jemanden finden, der uns rauf- und in Helsinki auch wieder hinabzieht, dann müsste der Taximann nicht erst mit der Crew verhandeln, dass er vor Abfahrt ja wieder hinunter müsste. Hauptsächlich unter massivem Gebrauch von Händen, Deutsch, Russisch, Englisch und Mimik gelang es mir, einen sehr netten jungen Mann zu überreden, der bereits eingecheckt hatte.
Doch der nächste Schock ließ nicht lang auf sich warten: falscher Terminal. Mein Adrenalinspiegel hob und senkte sich, als wäre ich schon auf der Fähre bei sehr hohem Wellengang.
Wieder ein glücklicher Umstand, der richtige Zufahrtsweg zu unserer Fähre war direkt nebenan, der Taxifahrer schleppte uns dann als allerletzte hinauf, drei der Schiffsleute und ich schoben unser Auto in eine halbwegs nicht störende Position und der Taximann freute sich sehr über das Trinkgeld zu den geforderten 200 estnischen Kronen (Umrechnungskurs: dividiert durch ca. 15).
Im Gegensatz zu allem Vorangegangen war die Überfahrt absolut unspektakulär. Mal abgesehen davon, dass wir in einem Auto auf dem Schiff saßen, dass keinen Mucks von sich gab, also fahruntüchtig war, ging es uns nicht allzu schlecht, denn wir hatten es geschafft und waren auf dem Weg nach Helsinki!
Die Schiffscrewmänner retteten uns dann nach dem Anlegen mit ihrem Akkuladegerät, nach ungefähr dem fünften Versuch startete der Wagen als wär nichts gewesen und wir rollten tatsächlich aus eigener Kraft von der Fähre.
Dem Hund war all die Aufregung auf den Magen geschlagen, direkt bei der Passkontrolle gabs für ihn kein Halten mehr; Durchfall direkt am Kaizaun. Na toll, das war also mein Einstand, mit der Hundekottüte neben dem Grenzer, der dennoch ein freundliches Welcome, aber keinen Mülleimer für uns hatte. Willkommen in Helsinki, Finnland.
Wir würden bis abends 21 Uhr Zeit haben, diese wunderschöne, ebenfalls mit zahlreichen Jugendstilbauten gesegnete Stadt zu besichtigen, was wir zu diesem frühen Zeitpunkt allerdings noch nicht wussten, dass die Leute hier zwar offenbar sehr hundefreundlich waren, jedoch ein Gesetz Hunde an allen Orten, wo mit Essen gehandelt wurde, keinen Zutritt haben.
Stunden später, nachdem wir in jedem Cafe oder Restaurant, in welchem wir fragten, um uns dort aufzuwärmen, erklärte mir die Barbesitzerin den Hintergrund für unsere Odysee.
Sky blieb – auch für ihn erleichternd – dann eine Stunde im Auto im Parkhaus, während wir unseren Füßen in einem ausgesprochen schönen Teehaus eine Ruhepause gönnten. Am späten Nachmittag hatten wir halb Helsinki zu Fuß erobert, eine prima Kindereislaufveranstaltung bewundert und schon wieder Eisfüße. Nach zwei Bars dann der Erfolg, wenn wir mit Sky still in einer Ecke sitzen würden, ließe man uns gewähren. Die Cocktailbar bot uns für zwei Stunden einen willkommenen Rastplatz, wir hatten Gelegenheit, all diese sehr freundlichen Finnen, junge Päarchen, ältere Leute zu beobachten, erstere innen, letztere eher im Vorbeispazieren.
Gegen sechs Uhr dreißig genehmigten wir uns nach dem 29 Euro teuren Parkhaus (für sechs Stunden) noch einen unbezahlten Parkplatz vor einem schönen Hafenrestaurant, ließen Sky erneut im Auto, was der dankend annahm und verabschiedeten uns von Helsinki mit einem empfehlenswerten Abendessen im Mariimi.
Den Abfahrtsterminal für die Fähre nach Rostock zu finden, war ebenfalls nicht ganz einfach, aber da das Auto problemlos fuhr, wir genügend Zeit eingeplant hatten, gab es keine weiteren Verwicklungen.
Dienstag, 4. Dezember 2007
erste Fotos aus Tallinn
noch kurz vor der Abfahrt nach Helsinki und Nachtruhe: Tallinn...die zu rettenden Fotos warten noch auf einen glänzenden Einfall
short news, a few images
Auf dieser Reise gab es einiges, das mir/uns offenbar nicht erspart bleiben sollte, nachdem in Vilnius ja bereits die Tastatur versagt hatte, das Touchpad von Beginn an nicht mehr wollte, gab jetzt die größere der beiden Fotospeicherkarten den Geist auf, so dass 178 Bilder von heute morgen in Tallinn gemacht habe, wahrscheinlich pfutsch oder nur mit viel Aufwand noch zu retten sind. Darüber hinaus bedeutet das, dass ich mit einer 512 MB-Karte nach 148 Bildern wieder ins Hotel zurück muss, um die Fotos auf dem Rechner zu sichern. Naja, da wir kurz vor dem Ende der Reise sind, ist es wenig sinnvoll, hier in Tallinn mühselig eine Shoppingmall mit Technikmarkt zu suchen, weil so etwas - wie in den anderen Städten auch - nur außerhalb der wunderschönen Altstadt zu finden ist.
Tallinns Altstadt ist, als ob wir in mittelalterliche Filmkulissen versetzt wurden, die Fotos von heute nachmittag stelle ich hier ein.
Bilder von der Insel Saaremaa gibt es hier.
Sonntag, 2. Dezember 2007
Vom Ende der Welt: Kap Kolka
Nach anderthalb Tagen Riga, die mir zu kurz waren, und die Tina ausreichend fand, aber nur, um einen ersten Eindruck zu gewinnen, packten wir – nunmehr routiniert – das Auto und fuhren in Richtung Jürmala. Der Marco-Polo-Reiseführer verhieß uns ebenso wie der Lonely-Planet Vielversprechendes. „20 km vor den Toren Rigas liegt die Ostsee – und der Badeort Jürmala (60.000) Einwohner. Ein kleines Städtchen, das bereits zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jhrdt. von den Rigaern als eleganter Badeort entdeckt wurde. Die verspielten Holzhäuser in den Stadtteilen Dzintari, Dubulti und Majori sind noch ein Relikt aus jener Zeit und werden heute zu Höchstpreisen gehandelt. Die Leute locken der feinsandige weiße Strand, der sich mehr als 30 km entlang der Küste erstreckt, das flache Wasser und die lange Flaniermeile.“ (Marco-Polo-Reiseführer, sorry, für das seltsame Deutsch)
Über eine Brücke, die gesäumt wurde von einem unsäglich hässlich-modernen Erlebnis- und Spaßbadkomplex, fuhren wir erwartungsvoll in Jürmala ein und machten uns auf die Suche nach dem Beschriebenen. Als wir in den ersten Ortschaften eher erschreckend verfallene, hinfällige Holzhäuschen fanden, die – wie so oft schon auf der Reise gesehen - durchsetzt mit all den hässlichen russischen Wohnblock-Dreigeschossern, die natürlich ebenfalls ausgesprochen baufällig und heruntergewirtschaftet sind, fanden, entschlossen wir uns in den als ältesten und angeblich schönsten Ort auf Jürmala zu fahren: Dubulti.
Doch auch hier: ja, es stimmt, hin und wieder sahen wir wunderschöne, liebevoll gestaltete Holzvillen, aber wir können uns nur schwer vorstellen, dass auch die reichen der Riganer Unsummen für ein Haus ausgeben, das vielleicht schön ist, aber dessen Wert eindeutig durch eine verwahrloste Nachbarschaft geschmälert wird. Sollten sich in den nächsten zwei Jahren genügend Investoren finden, die in Jürmala die großen, teils völlig ausgebrannt und bis auf die Skelette ausgeräumten Hotelklötze, abreißen und genug Geld in die Ortschaften fließt, um die wertvolle Bausubstanz der Holzvillen zu retten, dann machen die Jürmalaischen Orte sicher bald anderen Ostseebädern Konkurrenz.
Bisher aber waren wir jedenfalls sehr enttäuscht, selbst, wenn wir der Gerechtigkeit halber immer dazu sagen, dass wir im Winter hier sind und sicher im Sommer einiges durch angenehmere Temperaturen und blühende Gärten verharmlost wird. Dennoch würden wir eher Kap Kolka als Reiseziel empfehlen.
Das Kap erreichten wir über einen Umweg und durch einen orkanartigen Schneesturm, der uns plötzlich bei Talisi im Landesinneren überraschte, erst spät abends und völlig erledigt.
Kolka bildet die nördliche Spitze Lettlands und reckt das Kapkinn gen Estlands größter Insel Saaremaa, auf der wir uns zur Zeit befinden. Nachdem wir wirklich kaum noch die Straße vor dem Autobug erkennen konnten, die Straße im Nu von zentimeterhohen Schneewehen eingeengt wurde und es ja ohnehin immer bereits gegen vier Uhr stockfinster ist (wir liegen hier eine Stunde vor Deutschland in der Uhrzeit und hatten schon mehr als einmal das Gefühl, eigentlich immer nur halbe Tage zur Verfügung zu haben), wollten wir eigentlich nur noch in irgendein Hotel. Wir hätten wohl unter diesen Umständen auch mit einer beheizten Fischerkate vorlieb genommen, aber es gab außer dieser plötzlich endenden Asphaltstraße und dem beginnenden Schotterweg durch einen noch düstereren Nationalpark nichts und niemanden.
Heilfroh, dass die wenigen Radiosender uns nicht im Stich ließen und uns mit angenehmer Chillout,- dann wieder Achtziger-Jahre-Musik aufbauten, heilfroh auch, dass wir dem Wechsel der Sprachen folgen durften: Russisch, Lettisch, Litauisch, teilweise eine englisch-lettländische Predigt eines Gospelpriesters uns immer wieder daran erinnerten, es gab noch etwas außerhalb des Dickichts und dem Ende der Welt, auf das wir hinzuzufahren schienen.
Überhaupt sind die Radiosender hier einen kurzen Einschub wert: Bis auf wenige Ausnahmen in Estland waren wir fast immer sehr zufrieden mit der Mischung an Musik, an Werbeeinblendungen, die viel kürzer und weniger reißerisch als bei uns sind, und mit den Stimmen der Moderatoren und Moderatorinnen. Sie haben angenehme, nicht mit Bässen unterzogene Stimmen und sind offenbar nicht unter 22, wie das häufig bei unseren Privatsendern der Fall zu sein scheint, wo die Zuhörer permanent geduzt werden und kaum noch die deutsche Grammatik beherrscht wird. Natürlich verstehe ich hier nur ausgewählte Worte und kann mir über die angewandte Sprachgewandtheit kein Urteil erlauben, aber alles in allem waren wir selten genervt und nur in Lettland wechselten wir ab und an den Sender, weil wir mit Headbangingmusik und Heavy-Metal nichts anfangen können.
So, nun aber zurück in die Nacht am Kap; Tina schrieb dazu: „Letzte Ausfahrt Kap Kolka“
...man sollte es gesehen haben, dieses Kap, denn es ist wirklich einsam, besonders und wahrscheinlich nicht nur im Winter gespenstisch gut. Selbst, wenn unser ausgefallenes Erlebnis in einem filmreifen Set und einem Holzhotel Marke nordischer Eigenbau-Ikea-Verschnitt einzigartig und nur im Winter zu erleben ist, die Landschaft des Kaps, die Strände und selbst die stinkende Fischfabrik im Sonnenaufgang sind einen Besuch absolut wert.
Tinas Schilderung der Hotelsuche lautet folgendermaßen: „Angekommen in Kap Kolka, weit und breit kein einziges Hotel oder Guesthouse in Sicht, nur dann endlich auf der Hauptstraße, ein Supermarkt. Carola schickte mich hinein, um zu fragen, wo es denn hier irgendeine Unterkunft gäbe, immerhin hatte ich im Reiseführer gelesen, dass mindestens zwei im Ort verfügbar seien. O.k., einer davon fiel flach, ich hatte überlesen, dass es der Campingplatz war. Aber die andere Option würde doch wohl zu finden seien.
Im Supermarkt, der glücklicherweise auch in einem kleinen Ort wie diesem bis 22 Uhr geöffnet hatte, bekam ich von der Kassiererin die Antwort, sie spreche kein Englisch. Ich versuchte es mit Zeichensprache, legte meinen Kopf zu Seite. Eine Zwölfjährige sprang stolz als Dolmetscherin ein, sie sagte, ja, natürlich, es gebe doch direkt nebenan das Hotel, die Zimmerschlüssel seien doch bei der Kassiererin. Es stünden eine deluxe-suite und ein Standard-Zimmer zur Wahl. Kurz entschlossen griff ich zur besseren Wahl und nahm die deluxe-Variante.“
Und schon wurde uns geholfen, wir hatten Zimmer Nummer 12, am Ende des Ganges ein Zwei-Zimmer-Appartment mit sehr niedrigen Sesseln an einer riesigen Kierfenholztafel, einer leeren und damit fast unsinnigen Kiefernschrankwand sowie eine gut funktionierende Elektroheizung. Der Riesenfernseher strahlte mindestens drei deutsche Programme aus, davon hatte Tina den Vorteil, „das perfekte Dinner“ und eine Diätshow sowie eine Auswanderserie schauen zu können.
Ich saß unterdessen im Schlafzimmer auf einem Schemel an einer Art Schreibtisch und versuchte mich an einem der früheren Reiseberichte. So, wie ich heute an einer Art Damenkosmetiktischchen in einem wunderbaren SPA-Hotel namens Rose in Kuresaaree (auf der Insel Saaremaa) sitze und über schon wieder Vergangenes schreibe.
Zu guter Letzt, denn es ist schon wieder gegen 22 Uhr und ich muss noch hinunter in die Hotellobby, um den Internetempfang zu nutzen, das Baltikum ist ganz sicher jede Reise wert, aber tut Euch selbst einen Gefallen und nehmt Euch ein wenig mehr Zeit als nur zwei Wochen, denn, wenn Ihr/Sie wirklich alle drei Staaten kennenlernen wollt, braucht Ihr/Sie mindestens vier Wochen.
Rückblicke: von der Nehrung in Richtung Riga
Im Bericht geht es hier noch einmal Zurück aufs Festland: Von der Kurischen Nehrung nach Riga
Obwohl wir schon in Estlands Norden gelandet sind, zur Zeit sitzen wir bereits auf Saaremaa, der größten Insel des Landes, schreibe ich da weiter, wo ich unlängst wegen der allzu schnellen Weiterreise abgebrochen habe. Wir haben Nida nur ungern so schnell den Rücken gekehrt, der Hund hätte sicher auch gern noch ein paar tage in den weitläufigen Dünen und an menschenleeren Stränden umhertoben mögen.
Doch da wir noch zwei Länder und mehrere zu besichtigende Orte auf unserer Liste hatten, hieß es gleich nach dem Frühstück in unserer Lieblingsbäckerei aufbrechen, um die Fähre gegen elf Uhr zurück nach Klaipeda zu nehmen. Da wir den Seehafen und die Altstadt Klaipedas (ehemals Memel) ja bereits vor dem Abstecher auf die Kurische Nehrung besichtigt hatten, warfen wir einen letzten Blick auf die Angler am Fluss Dane und fuhren dann schnurstracks auf die gut ausgebaute Straße nach Riga. An der Strecke, kurz hinter Siauliai, besichtigten wir in Eiseskälte den Berg der Kreuze, über den ich ja bereits weiter unten schon schrieb.
Wie immer gäbe es zu jedem einzelnen Ort noch viel zu schreiben, aber ein Blogg eignet sich doch eher nur für eine Art Skizze, wer sich tatsächlich für eine eigene Baltikumreise oder Hintergründe zu den einzelnen Orten interessiert, mag gern hier Anregungen finden und dann im Netz gezielt weitersuchen. Wir planen nach unserer Rückkehr auf jeden Fall einen detaillierten Serviceteil und Hinweise zu den getesteten Hotels, Pensionen und Guesthouses. Es wird eine übersichtliche Fotoshow aus den Regionen und Städten geben. Für diese Feinarbeit bleibt uns während der Reise natürlich keine Zeit und vielleicht ist es ja auch nicht verkehrt, die Eindrücke erst mit einem gewissen Abstand zum Erlebten wiederzugeben.
Dennoch seien an dieser Stelle ein paar Kleinigkeiten eingefügt, die uns bisher aufgefallen sind: Ein klares Vorbild für Deutschland könnte das Baltikum in Sachen Rauchfreiheit sein, hier scheinen die Regierungen viel strikter und klarer ein Rauchverbot in allen öffentlichen Gebäuden und allen Restaurants, Cafes, usw. durchgesetzt zu haben. Eine Regierungsbeamtin aus Riga erzählte mir, es sei von einem Tag auf den anderen das Gesetz geltend gemacht worden und jeder hält sich daran, ohne lange Diskussionen.
Wir hatten über die Art der Menschen in den jeweiligen Ländern ziemliche Debatten, weil Tina die Litauer lieber mochte als die Lettländer, während ich mir darüber kein Urteil erlauben mag. Ich fand beide Nationalitäten freundlich und reserviert, sicher nicht selten auf die – doch vorhandenen – Sprachbarrieren zurückzuführen und ich habe auch andere Gespräche geführt, weil Tina mehr für den Übernachtungspart zuständig ist. Das heißt, sie erlebt oft genug die Skepsis, wenn sie fragt, ob wir irgendwo mit dem Hund bleiben können. Während ich in Riga ein Interview mit oben erwähnter Regierungsbeamtin führen durfte, noch dazu in entspannter Clubatmosphäre und diese Begegnung mit einer Lettin ganz ungezwungen erlebte. Gut, zugegeben, ihre Eltern stammen aus Weißrussland, sie hat also durchaus ein gemischtes Erbe, wie sie selbst bestätigte.
Zurück zur Reise: Der Berg der Kreuze mag in wärmeren Temperaturen auch Nichtgläubigen wie uns mehr Freude am Entdecken bieten, uns war einfach nur furchtbar kalt, allein die Kamera zu bedienen schien nach einer halben Stunde trotz anbehaltener Handschuhe eine Herausforderung, so klamm fühlten sich Hände, Füße und Nasen an.
Jugendstil pur: Riga
Eine nicht allzu wetterverhagelte und auch nur mäßig vernebelte Fahrt brachte uns dann hinein in die, von der Unesco als Weltkulturerbe anerkannte Jugendstil-Metropole: RIGA. Weil wir zu müde waren, um lange zu suchen, hatte Tina entschieden, das erstbeste Hotel der Mittelklasse zu spendieren, wir wurden vom Liftboy samt unserer – etwas unpassenden Gepäckstücke (um genau zu sein, Plastiktüten mit Hundefutter und Futternapf) – in unsere Suite gebracht. Natürlich fragt sich jeder praktisch Veranlagte jetzt vielleicht, warum wir die Tüten nicht einfach später geholt haben? Tja, wir hätten das nur zu gern an der noblen Lobby vorbeigeschmuggelt, nur mussten wir unser Auto sofort leer räumen, weil der Boy das Hoftor wieder verriegeln musste. Also hieß es, das Hundegepäck mit Fassung an der Rezeption vorbeizutragen als wären es Cartierkoffer.
Riga und der Jugendstil bedürfen eines eigenen Bloggs oder zumindest ganz vieler Fotos, weil ich während der Spaziergänge durch diese unfassbar detaillierte, kleinteilige und liebevolle Architektur, immerzu nur die Kamera im Anschlag haben konnte und denken, wie sich das wohl anfühlt, ein einer solchen Stadt, beziehungsweise Stadtteil zu leben, denn der Rest von Riga ist natürlich wie die meisten Städte: ein aus den Nähten platzender Moloch, der zich – bezahlbarere – aber eben wenig ansehnliche Vorstädte gebiert, in denen sich wahrscheinlich das eigentliche Leben der Rigaer abspielt, die ganz normal mit dem Bus zur Arbeit fahren, weil sie, wie mir meine Interviewpartnerin verriet, sich die enormen Parkgebühren in der Stadt und die Mieten oberhalb von 500 Euro für eine Ein-Zimmer-Mietwohnung monatlich nicht leisten können. Dieser Mietbetrag von 500 Euro bezieht sich auf eine Vorstadtwohnung und die Frau, die aus Sparsamkeitsgründen mit dem Bus fährt, ist immerhin Regierungsbeamte im Erziehungsministerium.
Leider funktionierte auch im Superhotel der Wireless-LAN-Zugang trotz extra erstandener Karte nicht in unserem Zimmer. In der Business-Lounge genannten kleinen Kammer im 5. Stock bot man uns zwar zwei online-Computer zur kostenfreien Nutzung an, aber da ich zu viele Bilder und Texte uploaden wollte, nutzte mir das Ganze nur wenig. Die WiFi-Card versagte auch dort oben ihre Dienste, der einzige Ort, wo der Provider latteve.com uns anerkannte, war das Hotelrestaurant. Und selbst dort hatte ich morgens Probleme, die restlichen 180 min der gekauften drei Stunden surfend abzugelten, der Zugang fiel mitten in einer Sitzung aus und wollte das Passwort und den bisherigen Benutzernamen nicht wiedererkennen. Trotz Passwortspeicherung, wohlgemerkt, also Tippfehler ausgeschlossen.
An der Rezeption begegnete man mir freundlich und mit dem wenig brauchbaren Hinweis, ich solle den Provider anrufen und ihm mein Problem persönlich schildern. Ich glaube sogar, das Telefonat wäre aufs Haus gegangen, aber bei meinem Zeit- und Arbeitsproblem hätte es nicht wirklich weitergeholfen, also habe ich stattdessen eine neue Karte gekauft und siehe da, es funktionierte wieder.
Warum schreibe ich so ausführlich darüber? Von Riga sagen, denke ich, die Bilder mehr als lange Beschreibungen, und die Zugänglichkeit des Internets ist ja auf Reisen an sich ein nicht mehr auszuklammerndes Thema, zumindest nicht, wenn man sich darauf verlegt, Reiseberichte und Webgalerien statt Postkarten zu schreiben bzw. zu senden.
Bis wir nach Estland einreisten, war der Internetzugang wirklich nicht immer ganz problemlos zu bekommen, Problemchen wie eben beschrieben wurden auch durch zeitweise gar keinen Internetaccess getoppt. Litauen Und Lettland sind aber dennoch ganz im Trend, es gibt zumindest in jeder größeren Stadt die eine oder andere Option, in Klaipeda beispielsweise hätte ich beim litauisch-lokal agierenden Provider Zebra einen Einwahlcode bekommen können, nur hätte ich das per SMS organisieren müssen und das wird dann mit einem deutschen Handy vielleicht doch relativ umständlich und möglicherweise auch teuer. Je nördlicher wir kommen, desto einfacher, denn hier auf Saaremaa muss ich nur eine Etage tiefer in einen hässlichen, aber funktionalen Wireless-LAN-Raum gehen im auch sonst wenig luxuriösen oder gar nicht modernen, dafür aber superteuren Hotell Arabella (kein Tippfehler).
Freitag, 30. November 2007
Estlands Winter: zuerst in Tartu entdeckt
Wir sind nach einer relativ unspektakulären Fahrt von ca. 180 km in Estland gelandet, die Zällnerin oder Grenzerin warf einen amüsierten Blick auf den "sein" Auto verteidigenden Hund, kontrollierte im Gegensatz zu ihren Kollegen neben den Ausweisen auch die Fahrzeugpapiere und schwupp erwartete uns eine wunderschöne Winterlandschaft. Estland bisher, wir sind jetzt im Südosten, in der Universitätsstadt Tartu, hat wirklich alles aufgeboten, was eine im winterlichen Norden Europas erfreuen kann: Die Stadt ist so hübsch, der Schnee ist blütenrein (wär ich ein Wessi, vergliche es mäöglicherweise mit der Perwollwäsche;))) und bestimmt einen halben Meter hoch. Bisher sind uns die Leute außerordentlich freunlich und weniger zurückhaltend begegnet als bisher - wobei wir da auch unterschiedliche Einschätzungen vornehmen. Dazu und zu vielem anderen später mehr.
Hier ein paar erste Eindrücke Die Bilder des Tages.
Die Live Webcams - auch aus Tartu - sind hier zu checken, wenn Ihr also noch näher bei uns sein wollt, klickt hier.
Donnerstag, 29. November 2007
Kurische Nehrung, Nida, auf den Spuren Thomas Manns
An dieser Stelle sei endlich der lang verschobene Bericht vom Abstecher auf die Kurische Nehrung gepostet. Auf der oben abgebildeten Karte lässt sich vielleicht etwas besser nachverfolgen, welche Strecken wir in Litauen gewählt hatten.
Die Nacht in einem sehr schönen, nicht ganz billigen Guesthouse in Klaipeda (vor der eigentlichen Fahrt auf die Sanddünen der Nehrung) war auch wieder etwas unruhig, weil gleich nebenan der wohl angesagteste Jazz- und Bierclub der Hafenstadt residierte und so: Ihr ahnt es, der Wachhund hatte einiges zu tun;) Am nächsten Morgen noch ein kurzer Stadtbummel, in Klaipedas Altstadt scheint in jeder noch so kleinen Kopfsteinpflastergasse gebaut zu werden, so entflohen wir dem Lärm recht bald gen Fähre. Die Autofähre ist recht einfach zu finden, sie ging – anders als im Flyer beschrieben, öfter als jede 1 ½ Stunden, aber das mag nach Tageszeit variieren.
Kaum waren der Hund ich an der Reling eine Brise eisiger Wintermeeresluft schnuppern, so setzte die Fähre auch schon wieder zum Ankern an. Am Eingang zum ersten Ort der Nehrung: Juodkrante, hieß es, ein Eintrittsticket zu kaufen und dann verleitete uns auch schon gleich der Wald und die Entdeckung der Meerseite zum Spaziergang. / siehe Bilder Kurische Nehrung (http://picasaweb.google.com/antaralain/KlaipedaUndKurischeNehrungLITAUEN)
„Die Kurische Nehrung ist ein 98 km langer Landstreifen (bzw. Halbinsel) zwischen Klaipėda (dt.: Memel) und Lesnoje (deutsch: Sarkau), von dem heute 52 km zu Litauen und 46 km zu Russland gehören. Sie trennt das Kurische Haff von der Ostsee. Die Nehrung besteht ausschließlich aus Sand mit riesigen Wanderdünen, die in den vergangenen Jahrhunderten, nach der Abholzung in der frühen Neuzeit, immer wieder Ortschaften unter sich begruben. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang es dem Düneninspektor Wilhelm Franz Epha, die Dünen zu bepflanzen und zu stabilisieren. Die Große Düne bei Nidden (litauisch Nida), eine der größten Dünen Europas, wird auch die ostpreußische Sahara genannt.
Die breiteste Stelle der Nehrung mit 3,8 km befindet sich beim Bulvikio ragas (Bullwikscher Haken), vier Kilometer nordöstlich von Nidden. Die schmalste liegt bei der Siedlung Lesnoje (deutsch: Sarkau, litauisch: Sarkuva) und ist 380 m breit.
Bei Klaipėda befindet sich eine etwa 300 m breite Verbindung zwischen diesen Gewässern. Im Jahr 2000 wurde die Kurische Nehrung von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Benannt ist die Kurische Nehrung nach dem Volksstamm der Kuren. Der litauische Teil der Kurischen Nehrung wurde zum Nationalpark Kuršių Nerija, der russische zum Nationalpark Kurschskaja Kossa erklärt. Im Mai 2006 verbrannten über 200 Hektar Kiefernwald im nördlichen Teil der Nehrung.“ (zitiert aus Wikipedia)
Was all diese Daten, für deren Veröffentlichung ich dem Wikipedia-Autor sehr dankbar bin, nicht sagen, ist die individuelle Schönheit dieser Landschaft. Im Thomas-Mann-Museum, der sich ein Sommerhaus auf der Nehrung hatte bauen lassen, las ich einen wunderbaren Text über das Licht und die Farben, die Stimmungen, über diese Landschaft, die es dem Zauberberg-Dichter offenbar sehr angetan hatte.
Mann schrieb: "Man findet einen erstaunlich südlichen Einschlag. Das Wasser des Haffs ist im Sommer bei blauem Himmel tiefblau. Es wirkt wie das Mittelmeer. Es gibt dort eine Kiefernart, Pinien ähnlich. Die weiße Küste ist schön geschwungen, man könnte glauben in Nordafrika zu sein."
Was hätte der Vater von Erika und Klaus Mann erst geschrieben, wenn er im Winter hier gewesen wäre? Natürlich sind die Lichtverhältnisse und die Gegebenheiten bei Minusgraden ganz andere als ich sie im Netz immer wieder von begeisterten Touristen geschildert finde. Aber grad die Menschenleere, die andere Stille haben diese zwei Tage und Nächte zu etwas ganz Außergewöhnlichem für uns werden lassen. Sicher hat uns dies auch den Vorteil eingebracht, dass uns die wenigen geöffneten Kaffees, Restaurants und Pensionen nicht wegen des Hundes den Zutritt verweigerten. Im Misko Namas, wo wir – zwar eng begrenzt – aber dafür herzliche Aufnahme fanden, gab es sogar einen dieser Hofhunde, die allerdings keinen sozialen Kontakt mit anderen Hunden gewohnt sind, sondern eben wie fast alle Hunde, die wir bisher getroffen haben, allein zum Bewachen der Grundstücke eingesetzt werden.
Wir hatten in Nidas neben dem prächtigen Vollmond, den wunderbaren, oft beschriebenen Dünen und einem leckeren Fischrestaurant das Vergnügen, in einer wunderbaren Bäckerei jeden Morgen vorzüglichen Kaffee zu trinken und den selbstgebackenen Kuchen probieren zu dürfen, dabei konnte ich fast ungestört arbeiten und Tina seltsam anmutende Werbesoaps mit Laiendarstellern auf einem riesigen Flachbildschirm genießen zu können. Das Thomas-Mann ist überaus liebevoll gestaltet und die Dame am Empfang beriet uns mit ihrem selbsterlernten Deutsch ganz vorzüglich. Wälder, Dünen und Leuchtturm untermalten diese zwei Tage in nicht sagbarer Schönheit. Bilder, die versuchen, das Ganze einzukreisen, sind hier zu sehen.
Sigulda short
Bevor es mit dem lang versprochenen Reisebericht weitergeht, hier ein paar Bilder aus dem schneeverwehten, taunassen Sigulda.
Bilder von unserem Guesthouse und gestern nacht, sind hier zu sehen.
"Sigulda (deutsch: Segewold) ist eine Stadt im Norden Lettlands mit 10.603 Einwohnern (Stand 1. Januar 2005), ca. 50 km nordöstlich von Riga. Sie liegt am Fluss Gauja (deutsch: Livländische Aa) und im Nationalpark Gauja. Sigulda ist als Wintersportort bekannt. In der Region um Sigulda (Lettische Schweiz) befinden sich die einzigen nennenswerten Erhebungen Lettlands. Es wurden schon Rodel- und Bob-Weltmeisterschaftsläufe dort veranstaltet.
Zugleich ist Sigulda aufgrund seiner schönen Lage an der Gauja ein wichtiger Naherholungsort für die Rigenser.
Aufgrund seiner bewegten Geschichte gibt es in der Umgebung von Sigulda eine Reihe Burgen und Schlösser, von denen die restaurierte Burg Turaida die wichtigste ist. Sie ist von einem Skulpturenpark und Freilichtmuseum, dem Volksliederpark umgeben.
Mittwoch, 28. November 2007
almost in Riga
Wieder einmal den Versprechungen des Reiseführers erlegen und – nicht unbedingt enttäuscht – aber auch nicht überzeugt worden: Der Berg der Kreuze hatte Tina magisch angezogen, also verließen wir, da wir ohnehin in unserer vilnianischen Lieblingspension - wegen Sky hätten wir ohnehin nicht noch eine Nacht bleiben können - Litauens Hauptstadt am frühen Mittag.
Hier müsste eigentlich der - noch fehlende Reisebericht KURISCHE NEHRUNG stehen, denn dort waren wir natürlich vor der Reise nach Riga. Also, nicht verwirren lassen, ich bau hier gleich mal eine Karte mit unserer nachvollziehbaren Reiseroute ein.
Wissend, dass von Kaunas und der Kurischen Nehrung aus bis Riga, der lettischen Hauptstadt auch noch einiger Fahrkünste bedürfte und wir am Berg der Kreuze (hinter Siauliai) noch genug Licht haben wollten, um ohne langwierige Stativlangzeitaufnahmen auszukommen (ein simples Geheiß der Kälte, keine fotografische Überlegung).
Nun denn, nach einigen wenigen Verwirrungen fanden wir den Abzweig sehr wohl. Vorab wurden wir im ortsansässigen Supermarkt und vor allem davor zum ersten Mal Zeuge der – leider natürlich – vorhandenen Armut und auch geistigen Minderbemittelung. Von einigen der Anwesenden, die sich dort vor Siauliais ziemlich unattraktiver Kulisse auf der Suche nach einem Zubrot zuschaffen machten, hätte man früher einfach behauptet, sie seien die Dorftrottel. Vergleiche mit ALEXIS SORBAS und LUDWIG HIRSCH ("Am nächsten Tag in der Früh, da treffen sie sich unten beim Wirt,
mit Dreschflegeln, Sensen und Sicheln und leuchtenden Augen.
Und sie singen Hallelujah und wandern zum Pfarrer sein Haus,
wo der Peterle blöd grinsend sei Eselsmilch sauft.
Die Hebamme schwingt's Kruzifix,
Herrgott, der Peterle was no nix!" Liedtext "Der Dorftrottel") sind durchaus zulässig.
Nur, dass der Kontext eben moderner erscheint und niemand von derer geistig Verwirrten erschlagen wird,...aber werden sie unbedingt viel respektvoller behandelt?
Sicher sind auch diese weniger Beglückten bereits auch schon einmal am Berg der Kreuze gewesen. Fraglich in diesem Zusammenhang ist auch, ob jene, die dort Hagel, kalten Winden und dem Mangel an religiös oder andersmotivierten Touristen trotzenden Kreuze-Verkäufer besser dran sind als andere, die sich vor dem Supermarkt bei den Betuchteren versuchen in Erinnerung zu bringen.
Sehr fragil scheint mir das Businesskonzept der Kreuzeverkäufer (zumindest zu einer kalten Jahreszeit) zu sein, an einem religiös dominierten Wallfahrtsort mit mindestens sechs oder sieben Ständen gleicher oder ähnlicher Ware auszuharren, aber dieses Festhalten an alten Verkaufsmustern trotz geänderter kapitalistischer Gegebenheiten ist wohl doch eher masochistisch einzuordnen oder eben als alternativlos?
Da muss sich unsereins ja auch nicht so weit aus dem Fenster hängen, denn das ist, was mir diese Reise ganz deutlich vor Augen führt, wenn man lang im Osten gelebt hat oder gar in einem vermeintlich geborgenen System aufgewachsen ist, dann fällt es nicht gerade leicht, die pseudodemokratischen, wirtschaftlich dominierten Spielregeln zu durchschauen und noch viel weniger adaptiert man sie so ohne weiteres.
short movie from Riga, step forward
from Vilnius
Reisebericht Vilnius
"Was wir Gegenwart nennen, ist bloß der Zusammenprall von Gewesenem und Bevorstehendem - ein winziges Teil Sein, das sofort in die Elemente Vergangenheit und Zukunft zerfällt." Sagte Eugene Ionesco (1909-1994)
Aus aktuellem Anlass, denn in Riga hatten wir zu den Infos, die ich mir über spiegel.de hole, auch die sich wiederholenden CNN-Berichte aus Pakistan, aus Israel und aus Russland.
Die estnische Zeitung POSTIMEES verlautbart zu Letzterem:
"Das Vorgehen gegen die Proteste in Moskau, St. Petersburg und Nischni Nowgorod bietet der zivilisierten Welt kein Bild von einem Russland, das nach Demokratie strebt, sondern von einem Regime, dem es um den Erhalt seiner Macht geht. Und die Opposition hat immer weniger Möglichkeiten, sich zu formieren und ihre Meinung zu äußern“. (zitiert aus der Deutschlandfunk-Presseschau)
Und nun zu Vilnius, durch dessen Altstadt wir bis hin zum Gedimino-Prospektas wir gleich am ersten Abend bewundernd spazierten, fiel zuerst durch seine sehr schönen, gepflegten Straßen, gesäumt von Designergeschäften, Loungecafes, noch mehr Designerläden und Banken auf.
Wie unten beschrieben wohnten wir ja sehr komfortabel im Sauni Vietelé, einer ehemaligen Franziskanerabtei, wobei ich mir gut vorstellen kann, dass unser Zimmer dem Abt höchstpersönlich gehörte. Aber das sind natürlich nur naive Vermutungen.
Vilnius ist ja für uns auch ein Test gewesen, inwieweit wir schnell und unkompliziert in das Litauer Alltagsleben hineinschnuppern können, denn vorher gabs ja nur kurze Stelldicheine, aus denen sich schon gar keine Rückschlüsse auf die Mentalität der Landesbewohner hätten ziehen lassen.
"Mit 553.000 Einwohnern (2006) ist sie die größte Stadt des Landes. Sie liegt an der Mündung der Vilnia in die Neris, nur etwa 40 km von der weißrussischen Grenze entfernt.
Vilnius ist katholischer Erzbischofssitz und seit 1579 Universitätsstadt." (zitiert aus Wikipedia.de)
Litauen, so sagt unser und schreiben andere Stadtführer, sei im 14. bis 16. Jhrdt. Auf dem Höhepunkt seiner Macht gewesen, später gaben sich die Polen und die Russen die Klinke in die Hand und nur eine kurze Phase zwischen beiden Weltkriegen gab es noch einmal den Lichtblick der Unabhängigkeit für Litauen.
Litauer werden immer wieder als warmherzig, gastfreundlich und gefühlsbetont beschrieben, aber ehrlich gesagt, halte ich solche Verallgemeinerungen für Unsinn, denn das wäre genauso, als beschriebe man den Deutschen als frohgemut, gesprächig und eine Frohnatur, nur, weil man in Köln ein Fastnachtswochenende miterlebt hat. Tatsache ist doch, Menschen sind verschieden, je nach Herkunft und Geschichte, persönlicher Situation und am Ende, wozu soll diese Schubladerei denn nützlich sein, Litauer seien so, Lettländer arrogant usw.?
Wir haben diejenigen Litauer, so sie denn gebürtig aus dem Land stammten, als freundlich-zurückhaltend erlebt, aber das hängt doch auch immer eng mit jenen Menschen und deren Anliegen zusammen, die als Touristen wie wir eben mit speziellen, vielleicht landesuntypischen Gepflogenheiten wie zum Beispiel dem Hotelgast Hund aufwarten, oder?
Was wir sicher – wenn auch kurz besehen –bestätigen können, ist die immer wieder getroffene Aussage, dass das Leben der Städter in Vilnius sich erheblich von dem einer ländlich beheimateten Familie unterscheidet. Ja, wir haben sehr wohlsituierte, vermeintlich jung dynamische Leute, die gemeinhin als Yuppies gehandelt werden, gesehen und weil ich auf der Suche nach einem Technikmarkt a la Mediamarkt oder Saturn war, um meine nicht funktionierende Tastatur zu ersetzen, bekamen wir auf diesem Weg nur freundliche, sehr hilfsbereite und gut englisch-sprachige Antworten. Während ja vorab, wie früher schon erwähnt, die Leute lieber zu einem wie auch immer brauchbaren Deutsche griffen, das auch nicht immer weiterhalf. Auch hier wieder die kurze Anmerkung, dass mein Litauisch sich ja auch nur auf „Guten Tag“ (laba diena) und Danke (dekoje) beschränkt.
Vilnius war – alles in allem – sehr lohnend, in vielem – vor allem in der Architektur – fühlten wir uns oft an Vergleiche mit Wien und Lissabon erinnert, aber dann wieder gabs auch ganz eigene Momente und kleine Situationen, die sich weder sprachlich noch fotografisch auf die Schnelle einordnen lassen. Manchmal müssen sich die Erinnerungen auch setzen wie ein guter Kaffeesatz, der erst nach Antrocknen gelesen werden kann.
Noch ein sehr empfehlenswerter Artikel über eine Roma-Siedlung in Litauen
Und als nächstes: der Weg von Nida zum Berg der Kreuze – Lettland: Riga (Fotos sind hier schon zu sehen)
Dienstag, 27. November 2007
Bilder vom Berg der Kreuze
aus Wikipedia: "Der Berg der Kreuze ist ein katholisch und touristisch geprägter Wallfahrtsort in Litauen unweit von Šiauliai (deutsch: Schaulen, polnisch: Szawle) an der Straße nach Riga. Die Pilger pflegen Kreuze auf den Hügel zu stellen, verbunden mit einem Wunsch oder Dank. (...)
Zu sowjetischen Zeiten wurde versucht, die Wallfahrt durch einen Wall von verdorbenem Fleisch zu unterbinden. Da sich die Litauer hier durchsetzten, wurde der Berg der Kreuze auch ein nationales Symbol.
Der Hügel gilt als mittelalterlicher Burghügel, ist also teils künstlich angelegt. Kreuze dürften hier erst im 19. Jh. aufgestellt worden sein. 1900 waren es erst 130. Heute stehen ca. 55.000 Kreuze auf diesem Hügel, nicht gerechnet die zahlreichen kleinen Kreuzanhänger. Die vom Hügel und den umgebenden Kreuzen eingenommene Fläche beträgt mehr als einen Hektar.
(...)
Am 7. September 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. diesen Ort und zelebrierte in einer Holzkapelle unter freiem Himmel vor etwa 100.000 Gläubigen eine Messe. (..) Seither gilt der Kreuzberg auch als heiliger Ort für Katholiken aus aller Welt, was man auch an den Kreuzen mit Inschriften aus aller Welt erkennen kann." (Quelle: Wikipedia)
Auf dem Weg nach Riga, zeitversetzt
Der Reisebericht Vilnius, Klaipeda, Kurische Nehrung: Nida
Von Trakai führte uns eine der gemeinhin gut ausgebauten Europastraßen direkt nach Vilnius, wo wir am frühen Nachmittag, also ausnahmsweise noch bei Tageslicht ankamen. Rechtzeitig, um uns durch die engen, mittelalterlich anmutenden Stolpersteingassen der Altstadt auf die Suche nach einer passenden Unterkunft zu begeben.
Und siehe da, gleich in der ersten Pension unserer Wahl hatten wir Glück, das Sauni Vietelé empfing uns mit einem beeindruckend geräumigen zwei-Zimmer-Appartment, einer attraktiven Badewanne und Blick auf eine der hübschen, weniger belebten Altstadtgassen. Dunkle Prunkmöbel und fast schon chillig zu nennende Sofagarnituren stellten hier unser Zuhause dar, leider stelllte sich auch hier nach einer Nacht und einem Abendessen im pensionseigenen, sehr netten Restaurant heraus, dass die Mädels hinterm Tresen Angst vor dem Hund hatten und uns keine zweite Nacht buchen wollten. Interessanterweise zeigte sich hier einmal mehr, dass es nicht durchgängig und allgemeingültig ist, alle Litauer sähen sich als Europäer und empfingen einen in mindestens drei Sprachen. Unserer Erfahrung nach sprachen die Leute in Litauen lieber noch Deutsch als Englisch, aber auch damit gab es natürlich ab und an Verständnisschwierigkeiten. Gerade, als es um unser Business www.baltikum-travel.com ging, versagten unsere Vermittlungskünste. Meine Frage, wer denn der Boss der Pension sei, wurde mit „no boss“ beantwortet. Gut, vielleicht hatten sie ja Angst, ich wolle mich beschweren, wozu ich gar keinen Grund gehabt hätte, also versuchte ich, ihnen zu erklären, dass wir eine Werbeplattform für Pensionen zur Verfügung stellen, gratis und sie sollten mir nur einmal ihre Internetdaten geben, damit wir ein paar mehr Informationen zum Sauni Vietelé zur Verfügung hätten. Prompt hieß die unsichere Antwort: We do have a website! Wusch, waren alle Hausgeister in der Küche verschwunden und wuselten geschäftig herum. Während ich noch meinen Frühstückskaffee trank und mich in dem irrigen Glauben wähnte, man hole jemanden, der mir besser Auskunft geben könne, beachtete man mich nicht mehr. Zum dennoch sehr freundlichen Abschied teilten sie Tina mit, man habe doch keinen Internetauftritt. Da werde einer schlau draus, es hilft nichts, selbst googeln und dann eine Mail auf Litauisch schreiben, führt vielleicht am ehesten ans Ziel.
Der Bericht aus Vilnius, ...muss zugunsten eines Interviews, das mir netterweise gestern Abend jemand gewährte, noch ein wenig warten....
Es folgen:
Der Weg von Nida zum Berg der Kreuze – Lettland: Riga
vob wo aus wir heute weiterreisen gen Jurmala an der lettischen Küste...
Montag, 26. November 2007
Reisebericht Druskininkai, Trakai, Vilnius
Da ich zeitversetzt schreibe, weil wir nicht immer Internetzugang oder auch Zeit zum Schreiben haben, helfen mir die gemachten Fotos sehr beim Erinnern der einzelnen Orte und Begebenheiten. Wie die meisten Reiseerfahrenen das kennen, ist es nach drei, vier Tagen der schnellen Ortswechsel oft gar nicht mehr so einfach, die Chronologie einer Reise wiederzugeben, geschweige denn kleine Feinheiten, die einem auffallen, zu erwähnen.
So zum Beispiel die Tatsache, dass wir selbst in den großen Städten kaum Menschen gesehen haben, die auf der Straße oder gar hastig essen. Überall saßen die Leute bisher im Cafe oder Restaurant, das bedeutet aber auch, dass wir nur diejenigen sahen, die sich das leisten können. Ein Erasmusstudent, den wir in Nida trafen, studiert in Vilnius und erzählte, dass auf den Märkten viele ältere Frauen versuchen, Plastiktüten mit aufgedruckten Markennamen zu verkaufen.
Wir haben bisher kaum Bettler oder Zeugnis bitterer Armut entdeckt. Das heißt allerdings leider gar nicht, dass es dergleichen nicht oft genug gibt. Wir waren einfach nur zur falschen Zeit am anderen Ort.
Doch der Reihe nach: Vom Bade- und Kurort Druskininkia ging es für uns weiter mit dem zuverlässigen VW Polo gen Trakai, und noch gab die Witterung keinen Anlass zur Sorge, dass wir eventuell doch von den Alljahresreifen würden auf Schneeketten umsteigen müssen. Zwar ist es relativ kalt, aber das ist eher normal für Ende November und durchaus – ein - für Nord- und Ostdeutsche gewohntes Klima.
Unsere nächste Station Trakai wird im Reiseführer gern als das perfekte Tagesausflugsziel von Vilnius aus genannt. Wir haben es einfach vor unserer Anfahrt auf die Hauptstadt auf die Tagesordnung gesetzt und waren mit dem 2 ½ Stunden-Besuch im winterlichen Seen- und Burgen-Örtchen gut beraten. Das rote Backseinschloss hat mich persönlich eher an eine Burg denken lassen, die Wachtürme, eine angedeutete Guillotine im Hof (wir durften wegen des Vierbeiners nicht hinein) und eine Art Zugbrücke ließen dann doch weniger ein Schloss vermuten, aber seis drum. Sehr hübsch, so oder so.
Mittelalterfans verzeihen mir den lakonischen Ton, bitte:=)
Tina bemängelt an dieser Stelle, ich beschriebe die verträumte Szenerie allzu negativ. Deshalb – und weil sie vermutlich Recht hat – hier also der Hinweis: Trakai hat ihr bisher am allerbesten gefallen und wir sind mittlerweile nach der Kurischen Nehrung und dem Berg der Kreuze (erste Fotos hier) in Lettlands Hauptstadt Riga gelandet!
Also: Trakai liegt wirklich in einer fabelhaften und wunderschönen Umgebung, das Schloss mag eher an eine Burg erinnern, aber das schmälert seine Schönheit in keinster Weise. Das Dörfchen bezieht seinen Charme vor allem aus den Holzhäuschen, Fischerhütten, den im Winter fest vertäuten Seglern und nicht zuletzt den Marketendern, die am See trotz eisiger Winde versuchen, ihre Matrjoschkas und andere Souvenirs an die Leute zu bringen.
All das schmiegt sich in eine winterlich beruhigte Gegend aus stillen Seen und Nebeln, die das Ganze irgendwie verzaubert und unberührt erscheinen lassen. Selbst die Katzen verdrücken sich hinter den Steinen und beobachten den Hund aufmerksam, aber nicht besonders kratzbürstig.
Im Sommer häufen sich wohl vor der romantischen Kulisse die Heiratswilligen und ich schätze, die Busse mit kamerabewehrten Japanern lassen an wärmeren Tagen auch nicht lang auf sich warten. Wir hatten das Glück, einigen wenigen Touristen und einer Schulklasse problemlos aus dem Weg gehen zu können. Im ersten Restaurant einmal mehr das – no dogs! Und dann notgedrungenermaßen dafür den besseren Deal in Sachen Preis-Leistung zu finden – wir aßen beim einzigen Türken im Ort: hervorragend, ausreichend (wie meine Dresdner Oma immer zu sagen pflegte) und wirklich preiswert, dazu freundlich bedient, auch wenn die Kellnerin vor unserem Hund ganz augenscheinlich großen Respekt hatte.
Verbürgt ist von Trakai eigentlich nur, dass Kestitus im 14. Jahrhundert seinen Hofstaat dort errichtete. Der Rest der Legenden dreht sich um nicht zu Belegendes wie der Aussage, dass Gediminas vermutlich in den 1320ern es zu seiner Hauptstadt machte und anderes. Das führt an dieser Stelle zu weit. Wir nehmen Sie/Euch lieber mit auf den Weg nach Vilnius.
Es folgen sehr bald:
Der Reisebericht Vilnius, Klaipeda, Kurische Nehrung: Nida und Riga, wo wir seit gestern sind